Die Schweizer Schifffahrt
In der Schweiz gibt es drei grosse Schifffahrtsbereiche: die
Rheinschifffahrt (Schweizerische Vereinigung für Schifffahrt und
Hafenwirtschaft SVS), die konzessionierte Schifffahrt mit Personentransporten
als Bestandteil des öffentlichen Verkehrs (Verein Schweizerischer
Schifffahrtsunternehmen VSSU) sowie die Güterschifffahrt auf Schweizer
Binnengewässern (Verein Schweizerischer Bagger- und Lastschiffbesitzer VBL).
Die Rheinschifffahrt befördert über 10% des gesamten
schweizerischen Aussenhandels. Das entspricht pro Jahr einem Transportvolumen
von ca. 6 Mio. Tonnen (ca. 100‘000 Container), davon Trockengüter im Umfang von
rund 3 Mio. Tonnen. Die VBL-Güterschiffunternehmen transportieren mit rund 2,5
Mio. Tonnen pro Jahr ähnliche Grössen. Auch weisen die VBL-Mitglieder in Bezug
auf Transportschiffe mit insgesamt 138 versicherten Einheiten (Güterschiffe,
Schwimmbagger, Pontons) ähnliche Werte wie die konzessionierte Schifffahrt (Passagierschiffe)
mit 146 Schiffen aus.
Vorteile der Güterschifffahrt und Chancen für die Schweiz
Die Binnenschifffahrt weist zahlreiche Vorteile gegenüber
anderen Transportträgern aus:
- Klimafreundlicher durch weniger
Energieverbrauch
Der Gütertransport auf den Binnengewässern trägt massiv zur
Reduktion von CO2 bei. Ein modernes Binnenschiff auf dem Rhein
ersetzt rund 90 LKWs, ein grosses VBL-Schiff rund 30 LKWs. Mit den 2,5 Mio.
Tonnen transportieren Material über die Seewege werden jährlich rund 4,1 Mio.
gefahrene Strassenkilometer verhindert, was 103-mal dem Erdumfang entspricht.
Aufgrund der Effizienz der Schiffe gegenüber den LKWs umfasst die Einsparung
mindestens 2 Mio. Liter Dieseltreibstoff. Somit werden heute pro Jahr CO2-Ausstösse
von über 5'300 Tonnen verhindert.
- Umweltverträglicherer Transport
Mit dem Schiffstransport können relativ grosse Mengen
transportiert werden, was ökologische Vorteile mit sich bringt. Zudem erfolgt
der Transport praktisch ohne Emissionen. Im Vergleich zu anderen
Verkehrsträgern gibt es keine oder kaum Lärmbelastung, Mikroplastik-Emissionen
oder Emissionen aufgrund der Infrastrukturbauten.
- Keine Infrastrukturkosten und
tiefe Transportkosten
Dem Staat entstehen aufgrund der Güterschifffahrt keine
Infrastrukturkosten. Die hohen finanziellen Aufwände für den Bau und den Erhalt
von Strassen, Tunnels, Brücken oder Schienen fallen auf den Binnengewässern
weg.
- Zuverlässiger und sicherer
Transport
Der Gütertransport kennt keinen Stau, keine Unfälle und
keine Todesfälle. Technische Pannen sind äusserst selten und verursachen in den
wenigen Fällen keinen Rückstau und Verspätungen. Mit dem jährlichen
Transportvolumen werden zudem bereits heute das Strassen- und Schienennetz stark
entlastet.
- Kapazitätsreserven auf den
Schweizer Binnengewässern
Aktuell weisen die Schweizer Güterschiffe hohe
Kapazitätsreserven aus. Schätzungen aufgrund der aufgewendeten Betriebsstunden
gehen davon aus, dass das Transportvolumen verdoppelt werden könnte.
Die Güterschifffahrt auf den Schweizer Binnengewässern kann in Zukunft einen noch grösseren Beitrag zur Lösung der Schweizer Verkehrs- und Klimaherausforderungen leisten, sofern die vorliegenden Vorteile und Effekte ordnungspolitisch gestärkt werden.
Dringlichkeit politischer Aktivität
Trotz dieser Vorteile sind die Transporte auf den Schweizer
Binnengewässern im vergangenen Jahrzehnt auf dramatische Weise um über 30
Prozent eingebrochen – obschon die Gesamtmengen der transportierten Güter
keinen Rückgang erfuhren. Das bedeutet, dass die Abnahme der Seetransporte
politische Ursachen hat:
- Fehlendes politisches Bewusstsein über die
wirtschaftliche Bedeutung der Branche sowie bezüglich aktueller und zukünftiger
Beiträge an die Umwelt- und Klimaziele
- Richtplanungen (Nutzungsplanungen,
Seeuferplanungen usw.) zu Lasten der Branche, insbesondere durch Umzonungen von
bisher gewerblichen Zonen in Seeuferzonen mit Sport- und Freizeitanlagen unter
Wegfall von Verlad- / Entlad- und Umschlagzonen
- Restriktive Erteilung und/oder massive
Verteuerung von Konzessionen für die gewerbliche Nutzung von im See
abgelagerten Sand- und Kiesmaterialen sowie für die Nutzung von Hafenanlagen
für den Betrieb von Umschlagplätzen für Güterschiffe
- Steigende und dadurch kostenintensivere
technische Anforderungen an den Schiffsbau
Der Abnahme von Transporten auf den Binnengewässern muss aus
umwelt-, gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Gründen dringend
entgegengewirkt werden. Die Erhaltung der heutigen Güterschifffahrt auf
Schweizer Binnengewässern dient der Verlagerung des Güterverkehrs weg von
Strasse und Schiene, was im öffentlichen Interesse ist. Eine Verlagerung auf
die Schweizer Binnengewässer ist ein Beitrag an die klima- und
umweltpolitischen Ziele der Schweiz. Zudem wird die Verkehrsbelastung auf dem
ohnehin bereits ausgelasteten Strassen- sowie Schienennetz verringert. Auch
wird für Bewohner:innen der Siedlungsgebiete die Lärm- und Luftbelastung massiv
verringert.
Ideen und Forderungen der Branche
- Einbezug von Forschung und Wissenschaft zur
Entwicklung für die Schifffahrt geeigneter Antriebstechniken (z.B. nationale
Forschungsprojekte)
- Im Rahmen der CO2-Gesetzesrevision CO2-neutrale
Schiff-Antriebstechniken und Infrastrukturanlagen (Betankung,
Energieversorgung) finanziell fördern
- «Fonds zur Innovation CO2-neutrale
Antriebstechniken» schaffen (z.B. durch zweckgebundene Verwendung der
Mineralölsteuer oder aus Mitteln von Umweltprojekten)
- Regulatorische Anpassungen wie aktuell die
Revision des Gütertransportgesetzes in Zukunft verstärkt auf die Förderung der
Güterschifffahrt beurteilen
- Innerhalb der RPG II-Revision die
Güterschifffahrt gebührend gewichten und in Bezug auf Standortplanung und
Nutzungskonflikte an Seeufern einbeziehen
- Kantone beauftragen, die Güterschifffahrt auf
Schweizer Binnenseen zu fördern, die finanziellen Abgaben zu harmonisieren und
Wasserstrassen wie Strassen gebührenfrei zu machen